Das Israelitische Krankenhaus in Hamburg

In der vergangenen Woche war ich einige Male im Israelitischen Krankenhaus am Orchideenstieg. Der Name machte mich neugierig und so habe ich mal wieder ein wenig recherchiert. Ursprünglich entstand das „Krankenhaus der deutsch-israelitischen Gemeinde“ an der Simon-von-Utrecht-Straße. Das Gelände wurde von der Stadt zur Verfügung gestellt und Salomon Heine, einer der reichsten und angesehensten Bürger Hamburgs zu damaliger Zeit, finanzierte das Bauvorhaben. Am 10. Juni 1840 war die Grundsteinlegung und bereits am 7. September 1843 fand die feierliche Übergabe an die Hospital-Commission statt. Heine verlangte als Gegenleistung lediglich einen guten Platz in der Krankenhaussynagoge und für das Ganze die Schutzherrschaft seiner verstorbenen Frau Betty Heine. Am Mittelgiebel des Gebäudes – das noch heute existiert, aber dazu später mehr – kann man daher lesen: „Krankenhaus der deutsch-israelitischen Gemeinde. Der seligen Frau Betty Heine zum Andenken erbaut von ihrem Gatten Salomon Heine 1841“.

Besonders an diesem Krankenhaus war, dass hier bereits damals alle Hamburger – egal welcher Konfession – behandelt wurden. Außerdem gab es von Beginn an Betten für reiche Selbstzahler. Es war modern und fortschrittlich. Dennoch gab es auch einige Kritiker, die meinten, dass der Bau gänzlich überflüssig war oder dass es zu großzügig gestaltet sei.

Während des ersten Weltkrieges wurde das Krankenhaus zum Reservelazarett. Über die Jahre wurde es mehrfach umgebaut und erweitert. Eine Straße in der Nähe erhielt den Namen „Heinestraße“ wurde aber 1938 in „Hamburger Berg“ umbenannt.

Überhaupt wurde es ab 1933 schwer für das jüdische Krankenhaus. Im September 1939 kam es unter dem Druck der Verhältnisse zu einem Abkommen zwischen der Jüdischen Gemeinde, dem Israelitischen Krankenhaus und dem Staat. Das Restvermögen, die Gebäude und Liegenschaften wurden dem Staat überschrieben; als Gegenleistung verzichtete dieser auf Zinsforderungen und sonstige Außenstände. Das Krankenhaus zog daraufhin in zwei Häuser in der Johnsallee um, später blieb nur noch eines der Gebäude. Dann erfolgte ein neuer Umzug in die Schäferkampsallee, in das Gebäude des ehemaligen jüdischen Pflege- und Siechenheims.

Das Gebäude von 1841 wurde während des zweiten Weltkriegs durch Bomben schwer beschädigt und erst 1987 wieder Instand gesetzt. Dort konnte das Krankenhaus also nicht mehr unterkommen. Die Zustände in der Schäferkampsallee waren auch nicht mehr tragbar. Eine neue Lösung musste her. Der Senat und die Bürgerschaft stellten daher insgesamt mehr als 4 Millionen DM und ein Grundstück in Alsterdorf am Orchideenstieg für einen Neubau zur Verfügung. 1960 wurde der erste Bauabschnitt fertig gestellt. Dort befindet sich das Israelitische Krankenhaus noch heute. Und das alte Gebäude? Es beherbergt jetzt das Kundenzentrum des Ortsamts St. Pauli.

Auch am Orchideenstieg wurde über die Jahre immer wieder umgebaut und erweitert. Heute ist das Israelitische Krankenhaus auf die Behandlung von Erkrankungen der Verdauungsorgane spezialisiert. Es gibt eine Innere und eine Chirurgische Abteilung sowie eine Intensivstation für beide Abteilungen, mehrere Facharztpraxen sind angeschlossen, und ein Hospiz gibt es auch. Die Mitarbeiter versuchen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, und das Krankenhaus genießt einen sehr guten Ruf.

Doch wer war eigentlich der Mann, der das Krankenhaus ursprünglich ins Leben gerufen hat? Salomon Heine wurde am 19. Oktober 1767 in Hannover geboren. Er lernte nur wenig lesen, schreiben und rechnen und hatte bei seiner Geburt keinen silbernen oder gar goldenen Löffel im Mund. Der Dichter Heinrich Heine war sein Neffe.

Mit 17 Jahren machte Salomon Heine sich zu Fuß auf nach Hamburg. Er fuhr auch per Anhalter und brauchte sicherlich einige Wochen bis er endlich in Hamburg ankam. Er hatte kaum Geld dabei und eigentlich nur die Sachen, die er auf dem Leib trug. In Hamburg hatte man nicht gerade auf ihn gewartet, aber er war fleißig. Zunächst verdiente er sein Geld mit dem Herumtragen von Wechseln, doch schon zwei Jahre später soll er bereits als Wechselagent gearbeitet haben. Er arbeitete dann im Bankhaus Popert und hatte offenbar ein geschicktes Händchen, wenn es um Geld ging. 13 Jahre später belief sich sein Vermögen bereits auf 1.000.000 Thaler. Er zeichnete sich aber auch dadurch aus, dass er Hamburger Firmen stützte, wenn es nötig war. Nach dem großen Hamburger Brand z.B. sorgte er dafür, dass seine „Bankkollegen“ die gebeutelten Hamburger nicht auch noch mit überhöhten Zinsen ausbeuteten. Den Überbringer der Nachricht vom großen Brand soll er beispielsweise gefragt haben: „Nu, is die Elbe auch verbrannt?“ und als der Bote verneinte: „Dann ist noch nichts verloren!“.

Viel Geld gab er auch für wohltätige Zwecke und war in Hamburg überaus beliebt. So sollen sich Hamburger Bürger einem wütenden Mob entgegengestellt haben, der 1835 bei judenfeindlichen Krawallen auf das Haus Heines zustrebte. „Salomon Heine beleidigen – unseren alten ehrwürdigen Heine – in die Alster mit Jedem, der das wagt.“ Das Haus blieb unangetastet.

Dennoch war Salomon Heine offenbar ein schwieriger Mensch. Er wird auch als Haustyrann beschrieben. Sein Neffe Heinrich Heine ließ kein gutes Haar an ihm. Das hatte aber wohl auch damit zu tun, dass sein Onkel ihm nicht so viel Geld zukommen ließ, wie er gerne gehabt hätte. Salomon Heine hingegen war enttäuscht, dass sein Neffe so gar nicht im Kontor arbeiten wollte. „Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher“, soll Salomon Heine über seinen Neffen Heinrich gesagt haben. Im Testament wurde Heinrich Heine denn auch übergangen.

Salomon Heine hatte genau bestimmt, was nach seinem Tod geschehen sollte: Er wollte neben seiner geliebten Frau Betty begraben werden. Und er wollte wie jeder seiner Glaubensgenossen begraben werden, es sollte nichts Besonderes „veranstaltet“ werden. Insbesondere sollten keine Reden am Grab und keine Danksagungen im Tempel gehalten werden. Aber Heine wollte drei Tage aufgebahrt werden, was überhaupt nicht der jüdischen Tradition entspricht. Erst wenn die Ärzte den Eintritt der Fäulnis bestätigen würden und die Kinder in die Bestattung einwilligen sollte die Beerdigung stattfinden. Wie viele seiner Zeitgenossen hatte Salomon Heine nämlich Angst davor, lebendig begraben zu werden. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass sich eine große Menschenmenge seinem Sarg auf dem Weg zum Friedhof anschloss.

Salomon Heine starb am 23. Dezember 1844, also gut ein Jahr nach Fertigstellung des Krankenhauses. Er hinterließ umgerechnet 110 Millionen Euro. Das Bankhaus Salomon Heine war eines der erfolgreichsten seiner Zeit.

 

Viele Informationen habe ich bei Wikipedia gefunden.

In der Staats- und Universitätsbibliothek habe ich zwei Bücher gefunden, die sehr interessant waren:

Das neue Krankenhaus der israelitischen Gemeinde in Hamburg von 1843 mit Zeichnungen und Grundrissen des ursprünglichen Gebäudes

Das Jahrbuch des Altonaer Museums 1967 mit einem interessanten Aufsatz über Salomon Heine

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