Von der riesigen Bauruine von Prora, in der Nähe von Binz, hatten wir schon gehört und auch schon mal etwas im Fernsehen gesehen. Ich wollte da unbedingt mal hin. Vor allem wollte ich die Jugendherberge sehen, die es dort seit 2011 gibt.
Nach unserem Besuch in Karls Erdbeer-Dorf haben wir dann einen Abstecher dorthin gemacht. Zunächst gegen den Widerstand einer Person, aber nur bis wir an den Strand kamen…
Doch zunächst ein bisschen etwas über den sogenannten „Koloss von Prora“:
Prora hieß zunächst einmal nur die bewaldete Hügelkette hier in der Bucht. Und hier in dieser wundervollen Lage in der Bucht zwischen Sassnitz und Binz wollten die Nationalsozialisten das KdF-Seebad Prora errichten. 20.000 Menschen sollten hier Urlaub machen und zwar wetterunabhängig, daher waren auch zwei große Wellenbäder, eine große Festhalle und ein Kino in Planung. Dazu noch Lesesäle, Kegelbahnen, ein Schiffsanleger und und und. Außerdem sollten noch ca. 2.000 Angestellte dort leben. Damals wurde ja oft in großen Dimensionen gedacht und geplant, aber dieses Objekt blieb anders als so viele dieser Mammutplanungen nicht in der Planung stecken, sondern es wurde tatsächlich gebaut.
Frei nach der Devise „nicht kleckern, sondern klotzen“ wurde der Architekt Clemens Klotz – nomen est omen – mit der Planung beauftragt. Natürlich war er nicht alleine, neun weitere Architekten standen ihm zur Seite. Es wurden acht baugleiche Häuserblocks à 150m mit jeweils sechs Geschossen geplant. Dazwischen noch Gebäude mit Gemeinschaftsräumen. Insgesamt 4,5 Kilometer! Alle Zimmer sollten Seeblick haben, deshalb wurden die Sanitäreinrichtungen in den landeinwärts liegenden Treppenhäusern geplant. Insgesamt war eine eher spartanische als luxuriöse Einrichtung vorgesehen. Der Strand war oder besser ist nur 150m entfernt. Das ist schon eher Luxus.
Bei der Weltausstellung in Paris 1937 erhielt die Anlage dann auch den Grand Prix.
Grundsteinlegung war am 2. Mai 1936. Acht große Baufirmen waren mit der Ausführung beauftragt. Die zähle ich jetzt nicht alle auf, könnt ihr alles bei Wikipedia oder an anderen Stellen nachlesen. Irgendwo habe ich gelesen, dass jede dieser Firmen für einen der acht Häuserblocks zuständig war, so entwickelte sich eine Art Wettkampf, wer schneller fertig wird. Nur so ist es wohl zu erklären, dass der Rohbau in nur 17 Monaten fertig wurde! Dabei blieb es dann aber auch, bei Kriegsbeginn wurden die Arbeiten eingestellt. So wurden also nur die sogenannten Bettenhäuser gebaut, die Gemeinschaftsanlagen waren noch nicht fertig.
Der Rohbau wurde dann zum Teil provisorisch hergerichtet und als Ausbildungsstätte für Luftwaffenhelferinnen und für ein Polizeibataillon genutzt. Ab 1943 wurden auch ausgebombte Hamburger dort einquartiert (keiner aus meiner Familie). 1944 wurde dort ein Lazarett eingerichtet und gegen Ende des Krieges war die Prora Quartier für Flüchtlinge aus dem Osten.
Die Rote Armee hat 1945 versucht die Prora – bzw. Teile des Nordflügels – zu sprengen. Die Prora wurde beschädigt, aber nicht zerstört.
Nach Kriegsende waren Teile des Komplexes Internierungslager für Grundbesitzer und Unterbringung für Heimatvertriebene aus den einstigen Ostgebieten. Schließlich werden die Gebäude ausgeschlachtet und demontiert für Kriegsreparationen.
Die Prora wird Sperrgebiet, die NVA (Nationale Volks Armee) zieht ein. Zeitweilig sind hier 10.000 Soldaten untergebracht. In den 1980er Jahren werden dann die Bausoldaten, die sogenannten Spatensoldaten untergebracht, die unter anderem im Hafen von Mukran beschäftigt sind. Ca. 500 Mann leben hier. Der südliche Teil wird zeitweilig Erholungsheim und Ferienlager für Angehörige von NVA und Grenztruppen.
Was für eine bewegte Geschichte, aber sie ist noch nicht zu Ende. 1990 – nach der Wende – zieht die Bundeswehr ein, aber nur bis Ende 1992. Seit 1993 ist das Gelände öffentlich zugänglich und seit 1994 steht der gesamte Komplex unter Denkmalschutz.
Nach und nach wurden die Blöcke verkauft. Was mit den zersprengten Ruinen passiert? Ich habe keine Ahnung.
Seit 2011 gibt es in Block 5 die Jugendherberge Prora, schon etwas länger gibt es einen Zeltplatz. Die Jugendherberge hat ein riesiges Gelände, auf dem man sich wunderbar austoben kann. Man kann auch grillen. Wir haben alleine drei Grills gesehen und an der Cafeteria hängt ein Schild, dem man entnehmen kann, dass man dort alles bekommt, was man für einen Grillabend benötigt. Inklusive Geschirr und Besteck. Und nicht zuletzt ist da ja noch der wunderschöne Strand direkt in Sichtweite… Eine nette Strandbar gibt es da allerdings – noch – nicht. Auch Strandkörbe haben wir nicht gesehen, dabei hätte ich gerne mal ein Stündchen am Strand gesessen, aber ohne Strandkorb war es einfach zu windig.
Das Dokumentations-Zentrum existiert auch schon einige Zeit. Dort kann man sich über die Vergangenheit des Bauwerkes informieren und die Dauerausstellung MACHTUrlaub besuchen. Auch die Internetseite ist sehr informativ. Geöffnet ist täglich ab 10 Uhr, geschlossen wird die Dokumentation je nach Jahreszeit zwischen 16 und 18 Uhr, bitte informieren.
Es tut sich was in Prora.
Was man auch immer von diesem Bauwerk hält, kalt lässt es wohl keinen. Wahrscheinlich macht es wirklich Sinn, diesen Koloss unter Denkmalschutz zu stellen und dort endlich Menschen wohnen zu lassen. Abreißen scheint ja nicht so einfach zu sein, wie schon die Rote Armee feststellen musste.
Die Lage ist auf jeden Fall wundervoll. Noch fehlt allerdings die Infrastruktur, die ein angenehmes Leben ermöglicht.
4 Responses to Der Koloss von Prora